Der Sailor Moon Effekt

(nach einer wahren Geschichte)

Um dieses Phänomen zu beschreiben, muß man sich erstmal über folgende Situation klar werden: Die Serie ist gedacht für 4-12-jährige Mädchen, sie kommt aus Japan und hat dementsprechende Themen. Eigentlich nichts, was den durchschnittlichen Jugendlichen in Deutschland interessiert. Doch dann...

Montag. Ferien. Endlich entspannen. Man zappt durch das Fernsehprogramm weil Nachmittags um zwei eh nix vernünftiges kommt. Kaum länger als 5 Sekunden verweilt man dann beim Sailor Moon Vorspann. Nicht, daß man wüßte, wie das heißt, was da grad läuft, nein. Völlig egal. "Cartoons...nein danke, über das Alter bin ich raus." Kurze Zeit später wiederholt sich das Spiel. Man fängt wieder von vorne an. Irgendwann bleibt man dann doch bei den Cartoons hängen. "Schließlich ist das wenigstens Abwechslungsreich und bisweilen sogar lustig." Der Zufall will es, daß man nun bei Sailor Moon hängt. Wenige Minuten später ertappt man sich, die Fernbedienung weggelegt zu haben. "Ach was, es kommt ja eh nix besseres" sagt man sich. So läßt man dann die Folge über sich ergehen und regt sich im Stillen über die "blöden" Szenen oder Texte auf. Endlich der Abspann. "Und was sollte das jetzt?" ist die nächste Frage, die sich auftut.

Sailor Moon Vorspann Nächster Tag. 15:20 Uhr. Ähnlich gelangweilt wie gestern. "Ah, ich wollte doch wissen, was das gestern für 'ne komische Serie war." Also, suchen wir den Kanal. Pünktlich zum Vorspann finden wir's dann auch. Aha 'Sailor Moon - das Mädchen mit den Zauberkräften' heißt das also. "Klingt ja schon ganz schön kitschig". Aber dennoch. Man schaut mal rein. Man hat selbst noch nicht bemerkt, daß es bereits etwas mehr als das ist. Während der Episode stellt sich dann ein gewisser Aha-Effekt ein. Man erkennt Personen wieder, hört dieselben Melodien und erkennt ein kleines Stück einer großen Geschichte. Dann ist die Folge auch schon zu Ende. "Naja, ich weiß nicht."

Mittwoch. Wieder nachmittags um zwei. Man redet sich ein, es würde sowieso nichts anderes laufen und ist längst auf dem Kanal, auf dem man nacher diese komische Serie erwartet. "Ich will ja nur wissen, wie's weitergeht." .....

Und schon ist man gefangen. Warum, ist schwer zu erklären. Der Wiedererkennungseffekt ist groß. Man lernt die vielen Charaktere schnell kennen, muß aber feststellen, daß hinter jedem noch mehr steckt. Alle Charaktere sind anders und so fällt es leicht, einen zu finden, mit dem man sich identifizieren kann. Auch hier unterscheidet sich Sailor Moon von den anderen Cartoon-Serien. Es ist keine Wiederholung der Folge vom Vortag mit etwas anderer Geschichte, sondern es entwickelt sich. Die Charaktere entwickeln sich weiter, lernen dazu. Dann die Story: OK, Superhelden haben wir genug. Das Marvel Universum (Spiderman, Batman) hat dazu genug geliefert. Heldinnen? Weniger.

Dann tauchen plötzlich andere auf und werden Teil der Story. Die Titelheldin verliebt sich und damit kommt ein weiterer, unberechenbarer Teil zur Story dazu. Die Gegner verfolgen ein genaues Ziel, dem sie auch mal näherkommen. Am Ende einer Folge kann es auch mal vorkommen, daß die Heldinnen nicht die totalen Sieger sind. Die Gegner sind auch nicht ständig dieselben, sondern ändern sich ebenfalls. Dennoch lernt man auch die "Bösen" so gut kennen, daß man sie vermißt, wenn sie weg sind. Eine der tragischsten und besten Szenen der ganzen Serie ist z.B. diejenige, in der Neflite (einer ihrer Gegner) stirbt. Die Serie verbindet hier den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse mit großer Romantik und dem Wunsch nach Liebe. Eine Kombination, die eigentlich jeden in ihren Bann zieht, auch, wenn man es nicht zugibt. DER Kuss


Minako Dann kommt noch die Art, auf die die Serie gemacht ist. Die Musik ist gut und bestimmte Melodien sind an bestimmte Ereignisse gebunden. ('Captain Future' Fans wissen, was ich meine) Die Art der Zeichnungen ist auch einzigartig. Zumindest für normale Cartoons. Sailor Moon ist eben Anime und kein Cartoon. Die Personen haben in der Regel riesige Augen und die tollsten Haarfarben und Frisuren. Auch sonst unterscheiden sie sich hauptsächlich durch Farben und es ist einfach zu erkennen, wer wer ist. Dann kommen noch die Effekte. Die Japaner scheinen ein unglaubliches Talent für Effekte zu haben, egal, ob nun sanfte magische Aura, oder spektakuläre Explosionen. Eine große Liebe zum Detail ist auch hier der Grund für fantastische Bilder, die in einem Realfilm völlig unmöglich wären.

 

So wird man 200 Folgen lang von dieser Welt immer wieder neu verzaubert, vorausgesetzt, man kann sich soweit fallen lassen, um die eigene Logik dieser Welt zu akzeptieren.


Last updated: 04.03.1998, Total 5 times